Aktuelles aus der Mietrechtssprechung
Aktuelles aus der Mietrechtssprechung
Vortrag anläßlich der Mitgliederversammlung am 05.05.2015
Wie auch schon in der Vergangenheit habe ich einige Gerichtsentscheidungen herausgesucht, die nach meiner Auffassung besondere Beachtung bei der Vermietung und Abfassung von Mietverträgen verdienen. Dabei ist zu beobachten, daß die Gerichte sich immer mehr von der Vertragsfreiheit, dem Dispositionsrecht der Vertragsbeteiligten entfernen, um unter dem Anwendungsbereich Allgemeiner Geschäftsbedingungen unter Rückgriff auf den Grundsatz von Treu und Glauben zu einer materiell rechtlichen Gerechtigkeit zu kommen.
1. Schönheitsreparaturen
Schon in der Vergangenheit habe ich immer wieder darauf hingewiesen und empfohlen Klauseln in den Mietverträgen zu unterlassen, die den Mieter verpflichten, die Wohnung nach Beendigung der Vertragslaufzeit im renovierten Zustand zurückzugeben. Der BGH hatte derartige Vertragsbedingungen in Formularverträgen als unwirksam angesehen, wobei diese Unwirksamkeit auch auf bestimmte Formulierungen von Abquotenabgeltungsklauseln erstreckt wurde. Der BGH hat seine frühere Rechtsprechung aufgegeben und die Rechtsprechung zu Formularklauseln bei Schönheitsreparaturen auf der Suche nach materiell rechtlicher Gerechtigkeit verschärft. Nach dieser neuesten Rechtsprechung aus dem März 2015 ist die formularmäßige Übertragung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter bei unrenoviert übergebener Wohnung unwirksam. Dies gilt auch für formularmäßige Quotenabgeltungsklauseln. Maßgeblich für diese neue Rechtsprechung des BGH ist, daß der Mieter nur zu den auf seine eigene Vertragszeit entfallenden Renovierungsleistungen verpflichtet werden darf.
Wurde nämlich dem Mieter eine unrenovierte Wohnung übergeben und dieser mit einer uneingeschränkten Renovierungsverpflichtung belastet, führt dies dazu, daß der Mieter die Wohnung vorzeitig renovieren oder gegebenenfalls in einem besseren Zustand zurückgeben müsse, als er sie selbst vom Vermieter erhalten hat. Der Mieter wäre verpflichtet, Gebrauchsspuren seines Vormieters zu beseitigen. Diese neueste Rechtsprechung führt dazu, daß die üblichen Renovierungsklauseln unwirksam sind mit dem Ergebnis, daß der Mieter gegen den Vermieter einen Anspruch auf Durchführung der fällig gewordenen Schönheitsreparaturen hat. Die Abwälzung der Verpflichtung zur Vornahme von Schönheitsreparaturen auf den Mieter war nämlich unwirksam.
Für die Praxis bedeutet diese neue Rechtsprechung, daß eine Überbürdung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter nur dann wirksam erfolgen kann, wenn ihm die Wohnung renoviert oder mit einem angemessenen Ausgleich übergeben wurde.
Ich hatte bereits erwähnt, daß auch eine unrenovierte Wohnung bei Überbürdung der Verpflichtung zur Vornahme von Schönheitsreparaturen auf den Mieter möglich ist, wenn ihm ein angemessener Ausgleich gewährt wird. In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte der Vermieter dem Mieter einen Nachlaß von einer halben Monatsmiete gewährt. Dies war jedoch nach dem BGH kein angemessener Ausgleich. Ich könnte mir vorstellen, daß für die Ermittlung eines angemessenen Ausgleichs ein Kostenvoranschlag zu Rate gezogen wird. Dieser Kostenvoranschlag wird auf eine übliche Renovierungszeit verteilt. Ein angemessener Ausgleich mit einem Abschlag versehen wäre dann der Betrag, der auf die vergangene Gebrauchszeit entfällt.
Als Fazit für die Praxis ergibt sich aus dieser neuesten Rechtsprechung, daß der Vermieter dem Mieter die Wohnung entweder renoviert oder mit einem angemessenen Ausgleich übergibt.
Abschließend möchte ich noch einmal darauf aufmerksam machen, daß eine unwirksame Klausel im Zusammenhang mit Renovierung und Quoten zur Unwirksamkeit auch der Überbürdung der Renovierungsverpflichtung auf den Mieter führt mit dem unangenehmen Ergebnis, daß der Vermieter im Falle von fällig werdenden Schönheitsreparaturen diese auf eigene Kosten vornehmen muß.
(BGH in IMR April 2015)
Die neueste Rechtsprechung ist bereits in die neuen Mietvertragsformulare eingearbeitet. Verwenden Sie daher nur noch die neuen im Vereinsbüro erhältlichen Formulare.
2. Welcher Schallschutz ist nach Wechsel des Bodenbelags einzuhalten?
In einer schon etwas älteren Wohnungseigentumsanlage hatte ein Wohnungseigentümer den vorhandenen Teppichboden in seiner Wohnung durch Parkett ersetzt. Der Eigentümer der darunter befindlichen Wohnung fühlte sich gestört, weil das Parkett nicht den Dämpfungsgrad eines Teppichbodens beim Belaufen besitzt. Der Trittschall hatte sich durch den Wechsel des Bodenbelags erheblich erhöht. Der sich gestört fühlende Wohnungseigentümer muß diesen erhöhten Trittschall hinnehmen, weil nach dem Urteil des BGH die Schallschutzwerte einzuhalten sind, die sich aus der Zeit der Errichtung des Gebäudes ergeben. Ein höheres Schallschutzniveau könnte sich allenfalls aus der Gemeinschaftsordnung ergeben (BGH 27.02.2015 in IMR April 2015).
3. Vorkaufsrecht des Mieters
Es dürfte allgemein Bekannt sein, daß dem Mieter, ein Vorkaufsrecht an der Wohnung gemäß § 577 BGB zusteht, wenn an dieser Wohnung nach Überlassung an ihn Wohnungseigentum begründet worden ist bzw. begründet werden soll. In einer solchen Situation hat der Vermieter den Mieter über den Verkauf unter Mitteilung des Inhalts des Vertrages und das ihm zustehende Vorkaufsrecht zu informieren. Geschieht dies nicht und ist der Kaufvertrag zwischen Vermieter und Käufer erfüllt, ist der Vermieter zum Schadensersatz verpflichtet in Höhe der Differenz von Verkaufswert und Kaufpreis (BGH, Urteil vom 21.01.2015 in IMR 2015/137).
4. Eigenbedarfskündigung
Der Vermieter, der eine Wohnung auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder zumindest erwägt, sie alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen, setzt sich mit einer später hierauf gestützten Eigenbedarfskündigung zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch, wenn er den Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet, bei Vertragsschluß nicht über die Aussicht einer begrenzten Mietdauer aufklärt. Die ausgesprochene Eigenbedarfskündigung ist in diesen Fällen wegen Rechtsmißbrauchs unwirksam.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist, daß der Vermieter nicht verpflichtet ist, von sich aus vor Abschluß eines unbefristeten Mietvertrags unaufgefordert Ermittlungen über einen möglichen künftigen Eigenbedarf anzustellen (sogenannte Bedarfsvorschau), noch ist er verpflichtet, den Mieter ungefragt über mögliche oder konkret vorhersehbare Eigenbedarfssituationen zu unterrichten. Es liegt daher kein Rechtsmißbrauch vor, wenn der Vermieter einen unbefristeten Mietvertrag wegen eines nach Vertragsschluß entstandenen Eigenbedarfs kündigt und das Entstehen dieses Eigenbedarfs für ihn zwar im Rahmen einer Bedarfsvorschau erkennbar gewesen wäre, er jedoch bei Vertragsabschluß eine solche Kündigung nicht zumindest erwogen hat. Eine Eigenbedarfskündigung ist jedoch unwirksam, wenn der Vermieter anläßlich des Vertragsabschlusses von sich aus oder auf Fragen des Mieters vorsätzlich unrichtige Angaben über eine eventuelle Eigenbedarfssituation gemacht hat (BGH, Urteil vom 04.02.2015 in IMR 2015, 139).
5. Wohnbedarf bei Eigenbedarfskündigung
Der Vermieter kündigt den Mietvertrag über eine 4-Zimmer-Wohnung (Größe rund 125 qm wegen Eigenbedarfs). Die Kündigung begründet er mit dem Bezugswunsch seines studierenden Sohnes. Dieser wolle die Wohnung mit mindestens einem Mitbewohner nutzen. Der Mieter wendet die Unwirksamkeit der Kündigung ein, weil diese wegen Geltendmachung eines weit überhöhten Wohnbedarfs rechtsmißbräuchlich und damit unwirksam sei. Dieses Argument wird seitens der Mieter häufig gegen die Wirksamkeit einer Eigenbedarfskündigung vorgetragen. Die Gerichte gehen vielfach auch auf dieses Argument ein und schreiben mehr oder weniger dem Vermieter vor, welchen Wohnbedaf er haben darf. Der BGH hat sich zu diesem Problem geäußert und entschieden, daß die Gerichte grundsätzlich zu respektieren haben, welchen Wohnbedarf der Vermieter für sich und seine Angehörigen als angemessen ansieht. Die Gerichte sind daher nicht berechtigt, ihre Vorstellungen von angemessenem Wohnen verbindlich an die Stelle der Lebensplanung des Vermieters oder seiner Angehörigen zu setzen. Der vom Vermieter geltend gemachte Wohnbedarf sei nicht auf Angemessenheit, sondern nur auf Rechtsmißbrauch zu überprüfen. Rechtsmißbräuchlich ist der weit überhöhte Wohnbedarf. Es lassen sich keine Richtwerte (etwa Wohnfläche) aufstellen, ab welcher Grenze bei einem Alleinstehenden von einem weit überhöhten Wohnbedarf auszugehen ist. Denn diese Beurteilung hängt nicht allein von der in Anspruch genommenen Wohnfläche oder der Anzahl der Räume ab, sondern von einer umfassenden Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls (BGH 04.03.2015 in IMR 2015/178).
6. Mietzahlung durch Job-Center
Wird die Miete vom Job-Center gezahlt und ergibt sich ein 2-monatiger Mietrückstand, kann der Vermieter das Mietverhältnis fristlos kündigen. Bei einer Zahlungsverzugskündigung sind die persönlichen Umstände, warum der Mieter die Miete nicht gezahlt hat, nicht zu berücksichtigen. Der Mieter hat auch einen Zahlungsverzug zu vertreten, der durch die Nichtleistung der Sozialbehörden verursacht wurde, selbst wenn er die Leistungen rechtzeitig beantragt und einen Anspruch darauf hat. Jeder hat ohne Rücksicht auf sein Verschulden für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen (Geld hat man zu haben). BGH vom 04.02.2015 in IMR 2015/140).
7. Rückbauverpflichtung des Mieters
Hat ein Mieter selbst mit Zustimmung des Vermieters bauliche Veränderungen vorgenommen, hat der Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses den Rückbau vorzunehmen und den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Allein der Umfang der Veränderungen durch den Mieter läßt regelmäßig keinen Rückschluß auf einen Verzicht zum Rückbau zu. Es liegt in der Risikosphäre des Mieters, wenn er genehmigte umfangreiche Veränderungen an der Mietsache vornimmt, ohne sich über die Rückbauverpflichtung mit dem Vermieter auseinanderzusetzen. Auch aus einer Weitervermietung der Räumlichkeiten im umgebauten Zustand ergibt sich nicht ohne weiteres ein Verzicht auf den Rückbau. Eine Zustimmung des Vermieters zu Umbauten und auch ein etwaiger Verzicht auf den Rückbau ist jedenfalls dahingehend auszulegen, daß sie unter der Bedingung einer fach- und sachgerechten Ausführung der Umbauten standen (LG Kleve 28.01.2015 in IMR 2015/150).
8. Videoüberwachungskamera im Hauseingang
Sowohl die Installation von Videokameras als auch die Installation von Kameraattrappen im Hauseingangsbereich stellen einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mieters dar. Bereits die mit der Anbringung einer Attrappe verbundene Androhung der ständigen Überwachung der Bewegung des Mieters und seiner Besuche im Hauseingangsbereich stellt eine Beeinträchtigung seiner allgemeinen Handlungsfreiheit dar, die nur unter besonderen Umständen zu rechtfertigen ist. Besondere Umstände können sein Fälle von Vandalismus und Einbruchdiebstahl (AG Frankfurt 14.01.2015 in IMR 2015/151).
9. Rauchen in der Mietwohnung
Der Staat hat in weiten Teilen des öffentlichen Lebens das Rauchen verboten bzw. auf kleine Inseln eingeschränkt. Es erhebt sich die Frage, ob das, was dem Staat Recht ist, dem Vermieter billig sein kann. Der BGH hatte sich vor nicht allzu langer Zeit jetzt schon ein paar mal mit dem Rauchproblem auseinandersetzen müssen. Es hat sich herausgestellt, daß das, was für den Staat Recht ist, für den Vermieter noch lange nicht billig ist. Rauchen in der Wohnung kann nur individualvertraglich verboten werden.
Rauchen kann den Hausfrieden stören. Eine nachhaltige Störung des Hausfriedens setzt jedoch voraus, daß eine Mietpartei entgegen dem Rücksichtnahmegebot die anderen Mieter mehr als unvermeidlich stört. Allein das Rauchen von 15 Zigaretten in der Wohnung stellt keine Vertragsverletzung dar. Der Mieter muß aber einfache und zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung einer Beeinträchtigung der Mitmieter ergreifen. Eine durch Verletzung einer solchen Rücksichtnahmepflicht verursachte Geruchsbelästigung der Mitbewohner kann eine Störung des Hausfriedens darstellen, insbesondere wenn die Intensität der Beeinträchtigungen ein unerträgliches und/oder gesundheitsgefährdendes Ausmaß erreicht. Ist dies der Fall, kann dem Mieter das Mietverhältnis – jedenfalls nach einer Abmahnung – ordentlich, sogar fristlos gekündigt werden (BGH 18.02.2015 in IMR 2015/179).
10. Nebenkostenabrechnung
Es war die Frage aufgeworfen worden, ob die Miete von Wärmemengenzählern umgelegt werden kann. Die weitere Frage lautete, wie es sich mit den Eichkosten verhält. Diese Fragen sind zu bejahen. Die Miete für Wärmemengenzählern wie auch die Kosten der Eichung sind als Kosten der Heizung umlegbar. Dies ergibt sich auch aus § 8 des vom Verein vertriebenen Mietvertrages.
Dr. Reder
Rechtsanwalt